Nurhan Karaçak
Kurzbiografie zu Nurhan Karaçak:
Nurhan Karaçak wurde als Kind armenisch-stämmiger Eltern am 2. September 1957 in Istanbul, Türkei, geboren. Er besuchte dort u. a. die Deutsche Schule Istanbul (Özel Alman Lisesi, eine von der deutschen Kultusminister-konferenz ausgezeichnete exzellente Auslandsschule), die er mit dem deutschen Abitur abschloss.
Ende der 70er-Jahre begann er ein Studium an der RWTH Aachen, zunächst im Bereich Architektur-Bauingenieurwesen, anschließend in den Geistes- und Kulturwissenschaften. Schon während des Studiums war er, wiewohl parteipolitisch ungebunden, politisch und kulturell aktiv, so in der Interessensvertretung der internationalen Studierenden und in internationalen Theaterprojekten.
Im Anschluss an sein Studium nimmt er seine Arbeit als Dozent für Deutsch als Fremdsprache vorwiegend an der Volkshochschule Aachen auf, seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen der nachholenden Schulabschlüsse und in den stark integrationsorientierten Programmen des Sprachverbandes Deutsch für ausländische Arbeitnehmer (Vorgängerprogramme der heutigen Integrationskurse).
Neben der Arbeit an der VHS Aachen ist Herr Karaçak konstant in verschiedenen Projekten tätig, so entwickelte er an der seinerzeitigen Hauptschule Kronenberg (heute Reformpädagogische Sekundarschule am Dreiländereck) modellhaft das Konzept der Förderklassen für Seitenein-steiger, das heute in der Region an verschiedenen Schulen etabliert ist.
Ebenso arbeitete er in einer „sozialen Werbeagentur“
namens Serdar, büyü, konak. „Sozial“ deshalb, weil er meistens für die sozialen Projekte nichts berechnete.
Anfang 2001 gehörte er zu den Gründern der gemeinnützi-gen Sprachenakademie Aachen, die heute u. a. der größte Integrationskursträger der Region ist. Mit 185 Mitarbeitern und über 10.000 Teilnehmern jährlich sowie Standorten in Aachen, Geilenkirchen und Kleve sowie Auslandsrepräsentanzen in der Türkei und China ist die Sprachenakademie im Bildungsbereich ein Aushänge-schild der Stadt Aachen, wozu Herr Karaçak als Geschäftsführer beigetragen hat.
Unter anderem wurde das von ihm entwickelte Projekt „Chancen eröffnen – Begabung fördern – Solidargemeinschaft gestalten“ im Jahre 2011 von der Bertelsmann Stiftung als eines von bislang nur 6 Projekten im Bereich „Sprache, Kinder, Jugend“ in die Liste der bundesweit herausragenden Best-Practice-Projekte aufgenommen. (vgl. www.demographiekonkret.
de/Aachen_Chancen_eroeffnen_Begabungen_foerdern_Solidargemein.970.0.html)
Neben seiner Tätigkeit für die Sprachenakademie Aachen und verschiedenen Lehraufträgen an der RWTH Aachen ist Herr Karacak bis heute konstant für die VHS-Schulabschlüsse und weitere soziale und kulturelle Projekte tätig. So konzipierte er für die Stadt Aachen die überregional beachtete und in ihrer Praxisorientierung äußerst verdienstvolle Bildungserstberatung für Migranten, bei der in seltener Kooperation städtische Behörden zusammen mit großen regionalen Integrationskursträgern eine Kompassfunktion vor allem für internationale Neubürger übernehmen.
Es ist nicht verwunderlich, dass ihn die Stadt Aachen als auch die Städteregion um Rat fragte, als es um die Neuausrichtung der früheren RAA und dem jetzigen KI (Kommunales Integrationszentrum) ging und er dank seiner exzellenten Begabung, Abläufe und Strukturen mit übersichtlichen Organigrammen, (natürlich wieder kostenlos) darzustellen.
Er gehört weiterhin zu den Gründern des neuen Partnerschaftsvereins Aachen – Istanbul-Sarıyer und initiiert aktuell verschiedene Initiativen zur Förderung der Begrüßungskultur Aachens.
Begründung der Preiswürdigkeit
Im Grunde erscheinen uns bereits die Verdienste, die Herr Karaçak im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeiten erworben hat, preiswürdig. Über diese hinaus hat Herr Karaçak aber vor allem in einer speziellen, sehr persönlichen Initiative, über die die Unterzeichnenden mit ihm direkt in Kontakt gekommen sind, sehr ungewöhnliches und beispielhaftes Engagement gezeigt.
Bei diesem Engagement handelt es sich um die Förderung von jungen Migranten, die im Jahre 2003 eher beiläufig startete und inzwischen eine unüberschaubare Zahl von Kindern und Jugendlichen unterstützt hat. Seinerzeit berichteten Eltern, die in integrativen Kursen der Sprachenakademie Aachen Deutsch lernten, von Problemen ihrer Kinder, insbesondere beim Übergang von der Grundschule in weiterführende Schulen. Häufig wurden ihre Kinder aufgrund vor allem sprachlicher Probleme mit einer Hauptschulempfehlung ausgestattet, die ihrem Leistungsvermögen und schulischem Potenzial nicht entsprach.
Herr Karaçak nahm sich der Kinder an, half ihnen ehrenamtlich in sprachlicher und fachlicher Sicht, verhandelte mit Grundschullehrern und Gymnasien, beriet verunsicherte Eltern und schaffte es so, in jedem einzelnen Fall positiv einzugreifen. Dabei versteht es Nurhan Karaçak, auf jedes einzelne Kind und den dahinter stehenden Eltern individuell einzugehen und somit fast schon für jeden einzelnen Fall eine optimale Lösung anzudenken und dann auch umzusetzen.
Die „Erfolge“ dieser zunächst spontanen Hilfsmaßnahmen sprachen sich herum, und so nahm die Zahl der Familien zu, die „zu Nurhan (Karaçak)“ geschickt wurden, um Hilfe für ihre Kinder zu suchen. Zu den Kindern in der schwierigen Phase des Übergangs zur Sekundarstufe gesellten sich schnell jüngere Grundschüler, Gymnasiasten der Unterstufe, Sekundarschüler mit Versetzungs-problemen, Lehrer schickten „Problemfälle“, Kinder brachten Freunde mit….
Neben den unentgeltlichen Nachmittagsstunden etablierte sich schnell „Nurhans Samstags-Kurs“, eine gemischte Lerngruppe, die sich regelmäßig samstags in den Räumen der Sprachenakademie traf und dort nach dem Prinzip von Fördern und Fordern nicht nur an sprachlichen und fachlichen Problemen arbeitete, sondern auch (und in einigen Fällen: vor allem) an den typischen Begleitproblemen von migrationsbeeinflussten Schulkarrieren arbeitete:
- am eigenen Selbstverständnis und persönlichen Bildungsidealen,
- an multipler Identität und Fremdheitserfahrungen.
- Gefördert wurden Diskussionsverhalten und Ausdrucksfähigkeit, Kreativität und Selbstachtung.
Die heterogene Gruppe wuchs so zu einer Gemeinschaft heran, die sich gegenseitig unterstützte, gemeinsame Freizeitaktivitäten, Ausflüge, Museums- und Ausstellungs-besuche (für die Kinder und Jugendlichen wundersamer Weise immer kostenlos) förderten diesen Zusammenhalt.
Inzwischen hat sich in der Gruppe eine Eigendynamik entwickelt, die erste „Generation“ der Geförderten, die jetzt selbst studiert, assistiert bei der Betreuung und übernimmt teilweise bereits selbstständig Verantwortung für die „Neuen“. Die selbstlose Hilfe, die ihnen durch Nurhan Karaçak zukam, geben sie nun ihrerseits weiter.
Und so arbeiten heute Alex, Anastasia, Eva, Fabian, Jackie und etliche andere ebenfalls als Multiplikatoren beim Projekt mit.
Lassen Sie mich noch hervorheben, dass Nurhan Karaçak aufgrund seines vielfältigen Engagements und seiner guten Netzwerkarbeit nicht nur in Aachen, sondern auch in Berlin-Kreuzberg als auch in Istanbul bestens bekannt ist. Wenn man sich mit ihm ungestört unterhalten will, setzt man sich am besten an den hintersten Tisch, da ansonsten die ständigen Umarmungen und Begrüßungen ihn vollends blockieren.
Zu guter Letzt sei eine Anekdote erwähnt, die ihn und sein Engagement und damit seine Preiswürdigkeit nochmals bestens unter Beweis stellen: Georgia Lonnecker hat als Sprach-, Sport- und Tanzlehrerin an der VHS lange Jahre sehr erfolgreich gewirkt und hat unter anderem auch Nurhan an die VHS geholt. Nachdem sie erkrankte, hat sich keiner mehr um sie gekümmert. Nicht ganz: Nurhan Karaçak zeigt auch in diesen Momenten seinen Großmut und kümmert sich.
Aus diesem Grund verdient Nurhan zu Recht den diesjährigen Stillen-Helden-Preis für das Jahr 2014.